Sind Rückenschmerzen bei Kindern häufig?
Der Schulranzen: Die Ursache von Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen?
Wie häufig sind Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen?
Rückenschmerzen treten bereits bei Kindern und Jugendlichen auf. Dabei zeigt sich eine deutliche Zunahme der Häufigkeit mit dem Alter: Daten aus der KiGGS-Studie zeigen, dass Rückenschmerzen bei 3-10-jährigen nur eine geringe Rolle spielen, während 49 % der 11-17-jährigen über das Auftreten von Rückenschmerzen berichten (Ellert et al., 2007). Allerdings zeigen sich in der Literatur große Unterschiede bei den Angaben zur Häufigkeit von Rückenschmerzen, was darauf zurückzuführen ist, dass Rückenschmerzen individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen werden und nicht objektiv messbar sind.
Ist der schwere Schulranzen eine Ursache für Rückenschmerzen?
Immer wieder wird ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Rückenschmerzen und dem Tragen schwerer Schulranzen behauptet. Daher gibt es Empfehlungen, nach denen das Gewicht des Schulranzens 10-12,5 % des Körpergewichts des Schulkindes nicht überschreiten sollte. Allerdings sind diese nur schwer umzusetzen. So zeigte sich beim „Schulranzen-TÜV“, einer Studie zum Schulranzengewicht bei Grundschulkindern, dass die Gewichte der Ranzen bei 6- jährigen Kindern im Mittel bei 14,2 % des Körpergewichts lagen, bei 10-jährigen noch bei 12,8 % des Körpergewichts, und erst bei 11-12-jährigen Kindern mit einem mittleren Gewicht von 10,9 % des Körpergewichts die Empfehlung eingehalten wurde; maximal wurde ein Schulranzengewicht von 38,5 % des Körpergewichts ermittelt (Dordel et al., 2007). Problematisch ist auch, dass die Anwendung dieser Empfehlung auf übergewichtige Kinder zur Folge hat, dass diese einen deutlich schwereren Schulranzen tragen dürften, obwohl häufig gerade sie einen durch Bewegungsmangel bedingten schlechteren Trainingszustand und eine schwächer ausgeprägte Rumpfmuskulatur aufweisen.
Allerdings gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen ausreichenden wissenschaftlichen Beleg dafür, dass eine Gewichtsbegrenzung des Schulranzens einen Einfluss auf die Häufigkeit von Rückenschmerzen oder Haltungsschäden hat (Dockrell et al., 2013). So zeigte z.B. eine Studie der Universität des Saarlandes an Grundschulkindern der Klassen 1 und 2, dass selbst nach Zurücklegen eines Parcours, der den Schulweg simulieren sollte, mit einem Schulranzengewicht, das im Durchschnitt bei 17 % und maximal bei 25 % des Körpergewichtes lag, keine signifikanten Änderungen der Gleichgewichtskontrolle auftraten.
Die beobachteten Änderungen der Körperhaltung entsprachen physiologischen Ausgleichsreaktionen ohne belegbaren Zusammenhang zum Risiko der Entstehung von Rückenschmerzen oder eines Haltungsschadens (Ludwig et al., 2009). Auch in Neuseeland wurde kein Zusammenhang zwischen dem Gewicht der Schultasche und dem Auftreten von Rückenschmerzen bei 11-14-jährigen Schülern gefunden (Trevelyan, Legg, 2011).
Erst bei einem Ranzengewicht, das über 20 % des Körpergewichts der Schüler lag, zeigte sich eine höhere Rate von Rückenschmerzen (Sheir-Neiss et al., 2003, Skaggs et al., 2006)). Hieraus kann gefolgert werden, dass Schulranzengewichte bis 20 % des Körpergewichtes bei normalgewichtigen Schülern als unproblematisch zu betrachten sind.
Auch wird bei der einseitigen Betrachtung des Schulranzengewichtes als Ursache für das Auftreten von Rückenschmerzen der Einfluss anderer Faktoren, wie die Art der Schultasche (Ranzen, Rucksack, u.a.), die Tragegewohnheiten (auf dem Rücken, auf einer Schulter oder in einer Hand) und die Tragezeit, sowie die Art, wie der Schulweg zurückgelegt wird, nicht berücksichtigt. Die Datenlage diesbezüglich ist allerdings sehr uneinheitlich. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Schüler, die mit Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule kommen, häufiger Rückenschmerzen haben, als Schüler die zu Fuß gehen (Gunzburg et al., 1999). Möglicherweise ist also gar nicht der Schulranzen die Ursache von Rückenschmerzen, sondern die durch Bewegungsmangel und fehlende Belastung nicht ausreichend trainierte Rückenmuskulatur.
Fazit für die Praxis
Auch wenn ein Zusammenhang zwischen Schulranzengewicht und der Entstehung von Rückenschmerzen nicht gesichert ist, sind unnötige Belastungen des Rückens zu vermeiden. Daher sollten Schulranzen so leicht wie möglich sein und eine ergonomische Form besitzen, wie es die DIN-Norm vorschreibt. Auch sollte darauf geachtet werden, dass der Ranzen korrekt getragen wird, so dass der Rücken achsengerecht belastet ist, und dass die Kinder nur die Dinge in den Ranzen packen, die sie in der Schule auch brauchen.
Darüber hinaus ist zu empfehlen, dass die Kinder durch regelmäßige, am besten tägliche körperliche Aktivität eine gute Rumpfstabilität entwickeln, so dass die alltäglichen Belastungen, wie z. B. der Schulranzen, problemlos geschultert werden können.
Tipps zum Kauf eines Schulranzens:
- Zertifizierung nach DIN 58124
- Eigengewicht nicht höher als 1,3 kg
- Ergonomisches, gepolstertes Rückenteil
- Stufenlos verstellbare, gepolsterte Trageriemen, Mindestbreite 40 mm
- Mindestens 80 mm langer Haltegriff
- 20% der sichtbaren Gesamtfläche des Ranzens muss einen fluoreszierenden Warnfarbenanteil aufweisen. 10% der Gesamtfläche der Vorder- und Seitenteile müssen mit retroflektierenden Materialien versehen sein (Signalwirksamkeit, TÜV/GS-Zeichen)
- Strapazierfähiges, wasserabweisendes Obermaterial, Boden muss für das Abstellen auf einer nassen Fläche für 10 Minuten wasserdicht sein.
- Aus Gründen der Verkehrsicherheit sollte der Ranzen die Kontur des Kindes möglichst nicht überragen.
- Den Schulranzen mit dem Kind gemeinsam aussuchen und versuchsweise aufsetzen, um die Passform zu überprüfen.
- Tragetaschen und Rucksäcke sind gänzlich ungeeignet, Trolleys eher unpraktisch.
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